Notschlachtung

Es gibt keinen Grund mehr, optimistisch zu sein: Im Fall des Falles, vermeldete jetzt der Zoo Neumünster, müssten die dort lebenden Tiere geschlachtet werden, um andere Tiere mit ihnen zu füttern. In diesem Zoo lebt auch der Vater des einst zu Ruhm gelangten süßen Eisbärenbabys Knut, dessen innige Beziehung zum sympathischen Tierpfleger Thomas Dörflein die Nation angerührt verfolgt hat. Gut, dass weder Knut noch Dörflein, da inzwischen verstorben, das Desaster dieser Tage mitansehen müssen. Peinlich genug für den Eisbärenvater, die Tatsache, dass ganz Deutschland teilnahm an der besonderen Behandlung, die Sprössling Knut widerfuhr. Der kleine Bär brauchte ganz offensichtlich das Rampenlicht: tägliche Tier-Soaps aus dem Zoo, Songs, die zu seinen Ehren komponiert wurden, Knut-Merchandise und Kinderbücher – ein Aufmerksamkeitssüchtiger und Narzisst, wie er im Buche steht! Seine Wutausbrüche, wie als er die Karpfen, die seinen Wassergraben von Algen befreiten, tötete, drangen nur zum Teil an die Öffentlichkeit. Wahrscheinlich ist auch, dass er unter starken Stimmungsschwankungen litt. Nur im Beisein der Kamerateams und Journalisten riss sich der abwechselnd von Depressionen und krankhafter Hochstimmung geplagte Bär zusammen und rang sich ein Lächeln ab. „Tu es für die Kinder“, flüstert Thomas Dörflein ihm ins flauschige Ohr. „Ich hasse dich“, hallt es im Kopf des Eisbären. Und: „Ich liebe dich, ich hasse mich!“ Nun wird der Erzeuger der Eisbärenlegende Knut möglicherweise selbst vor den Augen aller öffentlich gedemütigt.
Ich denke, es kommt dann endlich zum unvermeidlichen Aufstand der Tiere – ich meine nicht im Stil von Animal Farm, sondern eine zeitgemäße Schlacht, in der Dickhäuter, Großkatzen und Raubvögel vollautomatische Waffen einsetzen, um den Menschen die Grenzen aufzuzeigen: Es reicht, bis hierhin und nicht weiter! Tiere sollten wirklich keine Tiere essen müssen. Verdammt nochmal. Wenn Thomas Dörflein das wüsste.